Pirate Fact #21: Die sichtbaren Narben
Im Goldenen Zeitalter der Piraterie war es keine Schwäche, sichtbar gezeichnet zu sein. Ein Holzbein, eine Augenklappe, ein Enterhaken – all das waren Ausweise von Erfahrung. Sie erzählten von Stürmen, Kämpfen, Verlusten – und vom Überleben.
Heute, in der Welt von Businessplänen, LinkedIn-Profilen und Pitchdecks, sieht das anders aus. Glätte gilt als Professionalität. Aber damit gehen oft die spannendsten Geschichten verloren.
Zeit, das zu hinterfragen.
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Früher: Narben als Zeichen von Erfahrung
Heute: Makellose Fassade als Standard – mit Risiko.
1. Lücken im Lebenslauf: früher Ehre – heute Makel?
Früher: Wer eine Wunde hatte, zeigte sie. Sie bedeutete: „Ich war im Kampf. Und ich bin noch hier.“
Heute: Lücken im Lebenslauf werden wegerklärt. Sabbaticals, Care-Arbeit, Krisenjahre? Möglichst „smooth“ verpackt.
Was fehlt: Die echte Geschichte. Warum nicht sagen: „Ich bin 2020 gescheitert – und habe daraus ein Team neu aufgebaut.“ Das ist oft glaubwürdiger als jedes CV-Makeover.
2. Burnout: Das neue Tabu im Leistungskontext.
Früher: Wer sichtbar überlebt hatte, wurde gehört.
Heute: Wer ausbrennt, geht leise in die Pause – und kommt zurück, als sei nichts gewesen.
Beispiel: Eine Führungskraft, die offen über ihren Burnout spricht und neue Wege des Well Performings lebt, wird oft zu einer echten Inspirationsfigur im Unternehmen. Und doch tun es die wenigsten – aus Angst vor Stigma.
3. Verletzlichkeit als Soft Skill – oder nur schönes Buzzword?
Früher: Der Enterhaken zeigte: „Ich habe etwas verloren – und daraus etwas gemacht.“
Heute: Wir sprechen über „Vulnerability“ in Leadership-Konferenzen, aber in der Praxis werden Unsicherheiten oft noch als Schwäche gelesen.
Beispiel: Ein CEO, der im Townhall-Meeting über eigene Zweifel in der Strategieentwicklung spricht, schafft eine neue Gesprächskultur. Und senkt die Angst vor Fehlern im Team.
4. Authentizität oder Inszenierung?
Früher: Narben waren nicht schön – aber echt.
Heute: Wir inszenieren Authentizität. Teilen ausgewählte Bruchstücke, posten bewusst „ehrliche“ Posts – aber bleiben im kontrollierten Rahmen.
Frage: Zeigt dein LinkedIn-Profil wirklich, was dich geprägt hat? Oder nur, was du verkaufen willst?
5. Die Gefahr der perfekten Oberfläche
Früher: Narben schufen Nähe.
Heute: Glatte Fassaden schaffen Distanz.
Beispiel: Start-ups, die nur „Hustle und Erfolg“ posten, verlieren oft an Glaubwürdigkeit. Hingegen werden Storys über frühe Fehler, Umwege und Unsicherheiten oft viral – weil sie echt wirken. Und weil sie anderen Mut machen.
Fazit:
Die Zeiten haben sich geändert. Aber die Wirkung ist geblieben.
Menschen folgen nicht denen, die perfekt sind – sondern denen, die echt sind.
Narben erzählen Geschichten. Geschichten schaffen Verbindung.
Und Verbindung ist der wahre Schatz in einer Welt der Austauschbarkeit.
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Reflexionsfrage fürs nächste Teammeeting oder deinen nächsten Post:
Welche Geschichte in deinem Business hast du bisher versteckt – obwohl sie vielleicht deine kraftvollste wäre?